Weihnachtsbrief 2021

„Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude “ (Lk 2,10)

Liebe Kolpingsschwestern, liebe Kolpingsbrüder,
mit dem oben zitierten Spruch der Freude wird das Erscheinen des Messias als ein wehrloses Kind verkündet. Er wird als Fremde geboren, denn Galiläer genießen im Land Judäa, wo Bethlehem liegt, keine große Achtung. Ein Fremde, der danach mit seinen Eltern zu Flüchtling wird, um in Ägypten Zuflucht zu finden. Kurz danach folgt ein Blutbad, da die Kinder in Bethlehem und Umgebung auf Befehl des Königs Herodes ermordet werden. Die Heilsgeschichte nimmt von Anfang an bereits einen finsteren Lauf.
Es ist eine Situation, die uns heute nicht fremd ist. Glücklicherweise musste die Heilige Familie nicht nach Europa, sonst hätte sie bei der Überfahrt mit einem überfüllten Flüchtlingsboot ertrinken können, oder bei der Überquerung über Landwege wäre sie zwischen der geschlossenen EU-Grenze und den belorussischen Waffen geraten. Möglicherweise hätte einer/eine von der Familie – Vater, Mutter oder Kind – sich unterwegs an Corona infiziert und läge in Transit in einem abgelegenen Krankenhaus auf Sizilien oder in den Karpaten.
Und die Engel des Herrn wagen es, dieses Ereignis als eine frohe Botschaft zu verkünden? Ist Freude mitten unter so vielem Elend nicht eine Zumutung?
Ja doch eine Zumutung, aber auch eine Freude, weil Gott Mensch unter den Ärmsten wird und somit gleich am Anfang ein mächtiges Zeichen seiner Botschaft setzt. Mit der Geburt in einem Stall kann Gott keine stärkere Sprache sprechen, keine schärfere Botschaft der Verbundenheit mit der Menschheit vermitteln.
Gott wird nicht nur Mensch, sondern damit nimmt Er auch die ganze Menschheit an. Er zeigt unmissverständlich mit jedem Menschen seine enge Verbundenheit, gestern mit der Ehebrecherin, den Blinden und Leprakranken, heute mit den Flüchtlingen und mit den hungrigen Kindern im bekriegten Afrika, in Irak und Afghanistan. Er lässt sich heute mit dem/der Kranken auf Intensivstation unter künstlicher Beatmung erkennen. Er ist Mensch mit dem Familienvater, der seinen Arbeitsplatz infolge der Einschränkungen durch die Pandemie verloren hat. Er ist Mensch mit der alleinlebenden Frau, die durch eine Behinderung am Rollstuhl gebunden ist. Mit der Geburt im Stall provoziert Gott die Menschheit mit seiner Liebe für alle Menschen, und für jeden/jede von uns persönlich. Die Provokation gilt unserem Verstand. Der angekündigter Messias hat den Anschein eines Königs nicht. Er ist ein wehrloser Neugeborene. Die Geburt zu Bethlehem stellt sogar die Vorstellung von Gott in Frage. Der Allmächtiger ist schwach, angreifbar, der Krankheit und den Menschen ausgeliefert. Er ist nicht der „Herr der Heerscharen“.
Mit seiner Entscheidung, Mensch zu werden, setzt Gott in der Heiligen Nacht sogar seinen Ruf auf Spiel. Er riskiert die Ablehnung. Er riskiert seine Glaubwürdigkeit und wird schließlich später am Kreuze versagen. Aber nur scheinbar, denn sonst würden wir heute nicht mit Freude Weihnachten und später Ostern feiern.
Weihnachten, ein Fest des Lebens und des Heils.
Weihnachten, aber auch eine scharfe Provokation in unserer Welt. Kein anderes Fest betont den deutlichen Kontrast zwischen Reichtum und Armut, zwischen Sicherheit und Gefahr im Leben. Es will uns ansprechen, genau in unserer Bequemlichkeit der warmen, weihnachtlich dekorierten Wohnstube.
Weihnachten leitet auf das Neue Jahr, in eine nahe Zukunft, die noch voll von Unsicherheiten ist. Wird die Pandemie ein letztes Aufbäumen zeigen, ehe wir langsam zur Normalität wiederkommen? Wird die Wirtschaft sich erholen? Wird die Spaltung in der Gesellschaft zwischen Geimpften und Ablehnern sich auflösen?
Wir sind in der Gesellschaft zweifelsohne in einer tiefen Umbruchszeit. Auf allen Ebenen wird alles in Frage gestellt: politisch, wirtschaftlich, sozio-kulturell, religiös, ethisch, gesellschaftlich, national wie international.
In diesen Tagen denken wir unermüdlich an die Weihnachtsbotschaft der Engelscharen:
„Fürchtet euch nicht. Euch ist der Messias geboren.
Friede sei auf Erde bei den Menschen seiner Gnade.“
(Lk 2, 10-11, 14)
Für eine kurze Zeit konnte die Kolping-Familie Weinheim doch manche Montagsabende gestalten. Die Senioren haben wohl auch zusammentreffen können. Die Jungen Familien mussten ihre Tätigkeiten den Umständen entsprechend anpassen, waren dennoch aktiv und kreativ. Zuletzt hat der Heilige Nikolaus dieses Jahr im Walde viele Kinder beschenken und froh machen können. Es sind doch Lichtfunken in einer sonst tristen und nüchternen Zeit, in der die himmlische Stimme hoffnungsvoll erschallt:
„Fürchtet euch nicht!“
Auch wenn die Pandemie uns noch belastet und einschränkt, auch wenn unsere Beziehungen von notwendigen Schutzmaßnahmen beeinträchtigt sind, mögen wir die Freude dieser Tage dankend annehmen und mit anderen Menschen teilen.
Wir wünschen allen in den Familien, in den Heimen und Krankenhäusern
Gesegnete Weihnachten und ein Gutes, Gesundes, Neues Jahr 2022
Mit herzlichsten Grüßen. Treu Kolping.
Pierre Gerodez                                           Carolin Schneegaß
Präses                                                      Geistliche Begleitung

Brief an Kolping-Familie Corona 12 21
Druckversion